Ferkelkastration: Selbst gestecktes Ziel verfehlt

Ab 01.01.2018 sollte innerhalb der EU auf die chirugische Kastration männlicher Ferkel verzichtet werden. Doch das Ziel wurde verfehlt. In den meisten EU-Staaten findet der Eingriff immer noch und zumeist ohne Betäubung statt. Ein Armutszeugnis für die europäische Gemeinschaft.
2010 unterzeichneten Vertreter aus Landwirtschaft, Fleischindustrie, Wissenschaft und anderen Verbänden eine gemeinsame Erklärung, nach der ab 1. Januar 2018 auf die chirugische Kastration männlicher Ferkel verzichtet werden sollte. Heute - nach Ablauf der Frist - wird deutlich, dass dieses selbst gesteckte Ziel verfehlt wurde. Bislang verzichten nur wenige EU-Mitgliedstaaten auf den operativen Eingriff, der in der Regel sogar ohne Betäubung und die Vergabe von Schmerzmitteln ausgeführt wird.
Armutszeugnis für die EU
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, bezeichnet die Zielverfehlung als „Armutszeugnis für die europäische Gemeinschaft“. Auch wenn Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch unter den Vorreitern ist – die betäubungslose Kastration soll hierzulande ab dem 1.1.2019 gesetzlich verboten werden - bleibt Kritik und Sorge: „Wir warnen die Bundesregierung, das Scheitern der Frist auf EU-Ebene nun zu nutzen, um der Schweineagrarlobby den Gefallen zu tun, das deutsche Verbot zeitlich nach hinten zu verschieben. Die Kastration unter Vollnarkose ist ein Minimum, mittelfristig muss komplett auf die chirurgische Kastration verzichtet werden“, fordert Schröder.
Ferkelkastration in Deutschland
In Deutschland wird der Großteil der männlichen Ferkel, etwa 20 Millionen pro Jahr, immer noch ohne Betäubung kastriert. In den meisten Fällen wird zwar ein Schmerzmittel eingesetzt, dieses jedoch verringert den Schmerz während der Kastration kaum. Schon heute gibt es Alternativen zur Kastration - die Ebermast und die Impfung gegen Ebergeruch – die allerdings bislang kaum umgesetzt werden. Beide Alternativen haben ebenso wie die Kastration unter Vollnarkose Vor- und Nachteile. Bei guter Durchführung und angepasstem Management sind sie jedoch tierschutzkonform. „Die Alternativen sind sofort einsetzbar, daher muss mindestens das Verbot der betäubungslosen Kastration national und europaweit sofort greifen. Aber offenbar haben die Agrarlobbyisten immer noch massiven Einfluss“, so Schröder.
„Vierter Weg“ ist nicht tierschutzkonform
Die Branche verzögert die Umsetzung der bestehenden Alternativen weiterhin, anstatt sie zu beschleunigen. Mit der Kastration unter Lokalanästhesie forciert sie einen „vierten Weg“. Diese Methode ist aus Tierschutzsicht nicht akzeptabel, da der Kastrationsschmerz damit nicht wirksam ausgeschaltet wird. Darüber hinaus sind die Tiere durch die Injektionen in die Hoden sogar zusätzlichem Schmerz und Stress ausgesetzt. Dass einzelne Länder die Lokalanästhesie einsetzen, darf aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes kein Argument für den Einsatz hierzulande sein.